Vortrag „Grabdenkmäler im Museum“ Donnerstag, 18.11.2010, 19.30 Uhr Museum Bayerisches Vogtland, Unteres Tor 5 Pfr. Hans-Jürgen Konrad

 

1. Einleitung

Um die Grabdenkmäler im Museum soll es heute in diesem Vortrag gehen – so haben wir uns schon zu Beginn dieses Jahres verständigt – Grabdenkmäler, die die Biographie von Menschen zumindest ein Stück weit widerspiegeln, Grabdenkmäler, die das, was den Angehörigen in der Erinnerung an die Verstorbenen wichtig war und ist, verdeutlichen, Grabdenkmäler, die einen hohen Symbolgehalt besitzen und ausdrücken wollen, welche Botschaft der Hoffnung angesichts des Todes Menschen besaßen und besitzen und die sie trug und immer noch trägt.

Als ich mich je länger desto mehr mit dem Thema des Vortrags befasste, rückte bei mir immer stärker die Beschäftigung mit dem Tod aus biblisch-theologischer Sicht in den Vordergrund. Ich selbst bin ja kein ausgebildeter Historiker, sondern Theologe und so wird mein Vortrag stärker einen theologischen Charakter tragen, weniger einen historischen. Gleichwohl gibt es aber die Möglichkeit, historische und theologische Aspekte miteinander zu verbinden. Dies will ich heute in diesem Vortrag versuchen und Sie dabei ein Stück weit mitnehmen. Ich denke schon, dass wir als Theologen einiges zum Thema Tod und Erinnerung an die Verstorbenen sagen können, auch wenn jeder Akt der Erinnerung an den Tod eine höchst individuelle Angelegenheit ist. Jeder Mensch geht unterschiedlich mit seiner Trauer um einen verstorbenen Angehörigen oder Freund um. Jeder hat seine eigene Art, sich mit den Fragen angesichts des Todes zu befassen. Und so können auch die Grabsteine sehr unterschiedlich gestaltet sein – je nachdem welchen Aspekt der Erinnerung angesichts des Todes die Angehörigen in den Vordergrund rücken. Da können explizit christliche Symbole wie das Kreuz die Gestaltung des Grabsteins dominieren. Oder es wird ein biblischer Vers gewählt, der im Leben des Verstorbenen wichtig war und der ihn trug oder es ist ein Weisheitsspruch, der das Wesen des Verstorbenen charakterisiert oder es ist ein Wort des Dankes, das die enge Beziehung zwischen dem Verstorbenen und seinen Angehörigen noch einmal widerspiegelt.

 

2. Der Monat November als Monat des Gedenkens an die Verstorbenen

Der Monat November ist der Monat im Kirchenjahr, in dem – außer in der Passionszeit – sich Christinnen und Christen verschiedener Konfessionen mit dem Tod auseinandersetzen. Einige Feier- und Gedenktage prägen den Kalender im November: So beginnt der November mit dem katholischen Feiertag Allerheiligen, an dem vor allem die Katholiken ihrer verstorbenen Angehörigen gedenken. In den letzten Jahrzehnten hat sich für diesen Tag durchaus eine ökumenische Praxis des Gedenkens an die Verstorbenen herausgebildet. So erinnere ich mich an meine Zeit als Pfarrer in Pleinfeld im Fränkischen Seenland: Dort gab es an Allerheiligen zunächst getrennte konfessionelle Andachten in den jeweiligen Kirchen. Danach gedachte man am Friedhof in ökumenischer Gemeinschaft der Verstorbenen des vergangenen Kirchenjahres. Diese ökumenische Form des Gedenkens an die Verstorbenen halte ich für durchaus sinnvoll. Für die Katholiken schließt sich am 2. November der Gedenktag Allerseelen an. Wir als Evangelische gedenken unserer Verstorbenen traditionellerweise am Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag im Kirchenjahr. Hier werden in den Gottesdiensten die Namen der Verstorbenen des zu Ende gehenden Kirchenjahres verlesen und ihrer gedacht. Vor allem aber wird mit der Botschaft der Bibel von der Auferstehung der Toten den Angehörigen der Verstorbenen Trost und Zuversicht vermittelt.

Es ließen sich noch einige weitere Aspekte der Erinnerungspraxis an die Verstorbenen aufzählen, aber ich möchte es hierbei zumindest zunächst bewenden lassen.

 

3. Der Tod

Ich möchte nun zunächst einige Gedanken zu Tod im Allgemeinen äußern und zunächst fragen: Was ist der Tod? In Wikipedia, der Internet-Enzyklopädie, lesen wir als Definition des Begriffs „Tod“:

„Der Tod ist der endgültige Verlust der für ein Lebewesen typischen und wesentlichen Lebensfunktionen. Der Übergang vom Leben zum Tod wird Sterben genannt…Der Tod ist der Zustand eines Organismus nach der Beendigung des Lebens und nicht zu verwechseln mit dem Sterben und Nahtoderfahrungen, die ein Teil des Lebens sind.“ Dies ist eine vor allem biologisch begründete Definition des Begriffs „Tod“. „Im deutschen Recht gibt es keine gesetzliche Definition des Todes…In der Rechtspraxis wird allerdings unter Tod… der Gesamthirntod verstanden.“ (Wikipedia, Artikel „Tod“)

Im „Taschenlexikon Religion und Theologie“ lesen wir unter „Tod“: „Biologisch lässt sich der Tod in enger Verbindung mit der Theorie der Evolution betrachten…Der Mensch, der „Ich“ sagen kann und um sein unvermeidliches Sterben weiß, und der Tod ´sind zwei zusammengehörige, sinnvolle Produkte der Entwicklung des organischen Lebens´“  (Carl-Friedrich von Weizsäcker).

Der Tod ist schon immer eine Alltagserfahrung der Menschen gewesen. Die religiöse und klassische philosophische Interpretation griff aber in ihren Aussagen zum Tod über den Raum der Immanenz hinaus, fragte nach dem „Danach“ und brachte Leben, Tod, und Jenseits in einen kosmischen Zusammenhang. In unserem Kulturkreis waren zwei Vorstellungen bestimmend, die sich zwar stark voneinander unterschieden, aber dennoch miteinander vermengt das Bewusstsein vieler Menschen bis heute beeinflussen. Zum einen ist es der Glaube an eine unsterbliche Seele, die in einem sterblichen Körper wohnt und durch den Tod frei wird. Zum anderen ist es der Glaube an eine Auferstehung der Toten zum Jüngsten Gericht, der in der Apokalyptik wurzelt und sich mit der Vorstellung von der Unsterblichkeit verbunden hat.

Die jüdisch-alttestamentliche Tradition kennt eine solche Vorstellung von Unsterblichkeit und Auferstehung in ihren Ursprüngen nicht. Der Tod wird als definitives Ende verstanden. Der Tote wird wieder zu Staub. Doch es gibt eine gewisse „Fortsetzung“: Das Reich, in das die kraftlosen Schatten der Toten kommen, die Scheol. Der Tod an sich, der alle Menschen trifft, ausgenommen die Entrückten (z.B. Henoch und Elia), wird nicht als Strafe verstanden. Allerdings stirbt der Frevler früher als derjenige, der ein Gott wohlgefälliges Leben führt (Psalm 55,24: „Und du, Gott, wirst sie hinunterstoßen in die tiefe Grube. Die Blutgierigen und Falschen werden ihr Leben nicht bis zur Hälfte bringen. Ich aber hoffe auf dich.“). Der Tod dient als Symbol für Krankheit, Bedrängnis und Gottesferne. In der nachexilischen Zeit und der Apokalyptik ändert sich das Verständnis des Todes im Judentum: Es gibt einen endzeitlichen Strafort und eine Auferstehung der Toten zum Endgericht (Dan 12,2: „Viele, die unter der Erde schlafen liegen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande.“).

Im Neuen Testament gilt der Tod als Folge der Sünde (Röm 6,23: „Der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.“). Der Tod ist durch die Sünde des ersten Menschen in die Welt gekommen und trifft alle Menschen – so die klassische Interpretation. Durch Jesu Tod und Auferstehung sind der Sünde und dem Tod die Macht genommen. An diesem Geschehen gibt die Taufe Anteil; wer auf Jesu Tod getauft ist, wird leben, im gegenwärtigen wie im zukünftigen Leben (Eph 2,1-10; Joh 5,24). Paulus übernimmt die apokalyptischen Vorstellungen von einer endzeitlichen Auferstehung der Toten (1. Thess 4,13-18; 1. Kor 15). In der neueren theologischen Diskussion im evangelischen Bereich wird stärker die biblische Auferstehungshoffnung reflektiert, die sich auf die versöhnende Kraft des Todes Jesu gründet und Christen dazu frei macht, die Zeitlichkeit ihrer Existenz zu bejahen und zu vollziehen, Der Theologe Eberhard Jüngel prägte einmal den Satz „Gott ist mein Jenseits“. In ihm wird jedes Leben geborgen sein, das seine Zeit hat als unverwechselbarer „Moment in der Geschichte Gottes mit allen Menschen“.

 

4. Das Grab und das Epitaph (= Grabinschrift)

Mit dem Begriff „Grab“ bezeichnet man die „Begräbnisstätte für verstorbene Lebewesen. Es ist der Ort, auf den sich der Totenkult der Kulturen bezieht.“ (Wikipedia). Ein „Grabmal“ (mhd. meil „Zeichen“) ist ein „Gedenk- und Erinnerungsmal an der Grabstätte eines Toten. Unter „Epitaph“

(gr. epitáphos „zum Begräbnis gehörend) versteht man eine Grabinschrift oder ein Grabdenkmal.

Zum Ende des 14. Jahrhunderts entwickelte sich in Deutschland die Sitte, außer dem Grabmal noch ein Erinnerungsmal zu stiften, das Grabdenkmal. Hierbei lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Bei der einen Gruppe bleibt die bisherige Form der Grabplatte bestehen, die die Gestalt des Toten trägt. Sie ist nun aber aufrecht an der Kirchenwand aufgestellt. Im Stein können wir den Namen und den Todestag des Verstorbenen sowie durch Wappen seine Herkunft erkennen. In der stärker ausgeprägten zweiten Gruppe ist das Epitaph aufwändiger gestaltet. Hierbei gibt es Raum für Bildnisfiguren aus der jeweiligen Familie und für Reliefs aus der Heilsgeschichte. Wir können auch Epitaphe aus Holz finden. Epitaphe haben ihren Ort in einer Kirche innen oder außen – aufgestellt oder befestigt entweder an einer Wand oder an einem Pfeiler. Im Laufe der Zeit entwickelten sich immer mehr ausgeschmückte Epitaphe, was sowohl die Formgebung als auch den Darstellungsinhalt betrifft. So wurden Epitaphaltäre, mehrgeschossige Epitaphbauten und Hängeepitaphe mit stark ausgeschmücktem Rahmen geschaffen.

Das Epitaph entwickelte sich im Spätmittelalter aus zwei verschiedenen Wurzeln:
Zum einen bekamen für Verstorbene gestiftete Andachtsbilder durch entsprechende Inschriften immer häufiger den Charakter von Gedenkbildern.
Zum anderen wurden aufwändig gestaltete Grabplatten vor allem in großen Kirchen immer öfter an Pfeilern und Wänden getrennt von der Grabstelle aufgestellt.

Es gibt unterschiedliche Gestaltungsvarianten von Epitaphen:
Zum einen allgemeine Todessymbole wie Totenschädel, (gekreuzte) Knochen, (geflügelte) Sanduhren, allegorische Darstellungen des Todes
Zum zweiten biblisch-christliche Stoffe, vor allem zu den Themen Tod, Auferstehung, Gericht und Erlösung

Zum dritten biographische Elemente, zum Beispiel Darstellungen des Verstorbenen, Wappen, Insignien und weiteres.

Inschriften zeigen die gesellschaftliche Bedeutung des Verstorbenen auf. Name und Lebensdaten allein tauchen auf den Epitaphen relativ selten auf; Personen, denen ein Epitaph gestiftet wurde, erhielten meist eine ausführlichere Ehrung. Dabei finden wir vor allem Merkmale hinsichtlich der Abstammung und der Familie, also genealogische Angaben: So wird bei verheirateten Personen der Ehepartner und oft auch noch die Herkunftsfamilie aufgeführt. Weiterhin wurde seit der Renaissancezeit auch der so genannte Leichentext auf die Inschrift aufgetragen, meist das Bibel- oder Liedzitat, über das bei der Bestattung gepredigt wurde. Besonders in der Barockzeit verzeichnen wir eine starke Zunahme der Inschriften: Sie würdigen vor allem den Lebenslauf des Verstorbenen und beschreiben den von einer starken Frömmigkeit geprägten Lebenswandel. Barocke Inschriften finden wir entweder in der jeweiligen Landessprache oder in Latein. Es gab dann auch Epitaphaltäre, Epitaphbauten und Hängeepitaphe.


5. Die Bestattung

Bestattung ist der Oberbegriff, den wir  - je nach der Art der Bestattung - weiter näher klassifizieren können: Wir können beispielsweise unterscheiden zwischen Erdbestattung, Feuerbestattung, Seebestattung, Baumbestattung und Luftbestattung. Nach der Leichenschau und der Abschiednahme von dem Toten gibt es meist eine würdig gestaltete Trauerfeier  entweder in religiöser oder in weltlicher Form. Die Begriffe „Beisetzung“ und „Bestattung“ werden häufig als Synonyme verwendet. Sprachgeschichtlich ist der Begriff der Beisetzung etwa 200 Jahre älter als der Begriff der Bestattung. Der uns heute geläufige Begriff der „Bestattung“ kam erst im 17. Jahrhundert auf und bedeutet „den sterblichen Überresten eine Statt geben“. Der umgangssprachlich gebrauchte Begriff des Begrabens hat sich im Deutschen nicht durchsetzen können, ist aber beispielsweise im christlichen Glaubensbekenntnis („gekreuzigt, gestorben und begraben“) zu finden. Dagegen finden wir im deutschen Sprachgebrauch durchaus den Begriff „das Begräbnis“. Der Begriff der „Beerdigung“ entstammt der seit Jahrtausenden häufigsten Form der Bestattung im Judentum, Christentum und Islam. Der Leichnam wird wieder zu Erde, von der er genommen ist. Der Begriff „Beerdigung“ bedeutet im engeren Sinn eine „religiös motivierte Erdbestattung“, ist aber sprachlich oft mit dem Begriff „Bestattung“ gleichbedeutend. Das Ritual der Bestattung hat vor allem den Zweck, den Angehörigen in ihrer Trauer beizustehen. Ein Teil dieses Rituals ist die Trauerrede oder auch das gemeinsame Essen im Anschluss an die Bestattung. Die Bestattung ist abgeschlossen, sobald das Ritual zu Ende ist. Das Aufstellen des Grabsteins oder das Anbringen einer Inschrift gehört nicht mehr zur Bestattung im engeren Sinn.


6. Grabdenkmäler im Museum mit ihren Symbolen der Hoffnung

Im Folgenden wollen wir uns nun einige Grabdenkmäler im hiesigen Museum genauer betrachten und vor allem herausarbeiten, welche Symbolik der Hoffnung in ihnen sichtbar ist:

Wir beginnen mit dem Grabstein des Carl Friedrich Einsiedel (19.12.1736-20.09.1776: 39 Jahre). Auf dem Grabstein, der sich früher auf dem Lorenzfriedhof befand, lesen wir:

 

Sterblicher!

Hier ruhen die Gebeine

weiland

Herrn Carl Friedrich Einsiedels

Bestverdienten Oberschiffbaumeisters der Holländisch

Ostindischen Compagnie,

eines redlichen und wohlgeschickten Mannes,

treuen Ehegatten und zärtlichen Vaters.

Er war zu Lichtenberg den 19. Dec. 1736 gebohr(en),

schiffte zweimal nach Ostindien,

machte sich dort durch 18jährige treue Dienste beliebt

und kam endlich,

von Gott aus mancher Gefahr errettet und gesegnet,

in sein Vaterland zurück,

wo er nach einer bey den Seinigen genossenen kurzen Ruhe

den 20 Sept. 1776 in seinem 40ten Lebens-Jahre

voll Glauben und Hoffnung in den Haven der Ewigk. Gieng.

Dessen hinterlassenen Wittwe

Anna Maria, geboh. Schmidtin,

2 Kinder

Georg Friederich und

Friederica Sophia Wilhelmina

beweinen

seine Asche und stiften dieses

Denkmal.

 

An symbolischen Darstellungen können wir erkennen:

Ein Auge im Dreieck (Gottvater in der Dreifaltigkeit)

Ein Handelsschiff (Beruf des Verstorbenen)

Eine Frau mit Kreuz (Hoffnung auf Erlösung durch Jesus)

Eine Frau mit Sense (Todesbotin)

Eine Muschel (Grab, aus dem der Mensch am Jüngsten Tag auferstehen wird)

Einen Totenkopf (Zeichen des Todes)


Als zweiten Grabstein schauen wir uns den des Jobst Jahreiss (…-25.11.1718), der sich ebenfalls auf dem Lorenzfriedhof befand, an:

Die außen umlautende Inschrift lautet:

 (H)ie(r) ruh(t) in (Gott der) wohlgeachte Meister Jobst Jahreißen, Burger u(nd) Tuchscherer alhier (sein)es Alters…

In der Mitte können wir folgende Inschrift lesen:

 am 25.11.1718

Die…alt meines hertzes ist Gott

Wie m…Gott aus meinem Leib

Sehe an mein Jamer u. Elend und

Vergibt mir alle meine sinde

(Psalm 25,17f)

Unten steht abgesetzt:

 …gleichen…ine Lieb gewesen

…aß…Helena, eine gebohrne

…Mauerin war gebohren..alhier

…1640, a 2. Junii Seel verstorb

An. 1709 ihres alters 68 jahr

Leichen Text 2. Tim IV…8

(„Hinfort liegt für mich bereit die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb hatten.“)

 

Ich habe einen guten Kampf ge-

kämpffet etc.

Die symbolische Darstellung ist eine Tuchschere, die auf den Beruf des Verstorbenen hinweist.

 

Der dritte Grabstein ist der des Georg Heinrich Siegmund von Wallenrodt (10.11.1689-21.06.1767). Er wurde  - wie die beiden vorherigen Personen – am Lorenzfriedhof beigesetzt. Als Inschrift können wir lesen:

 

Hier unter diesem Stein

liegt eingesargt

der weyland

Reichsfrey Hochwohlgebohrne Herr

Herr Georg Heinrich

Siegmund von Wallenrodt

als der letzte seines Stammes in Franken,

aus dem Hauße Streittau,

welcher

fünf Fürsten gedienet,

und bey S(eine)r jetzt regierenden

Hochfürstl. Durchl(aucht)

Wohlbestalteter Obrister

und Commendant der Stadt Hof

wie auch

über 2 Ausschuß-Regimenter

Hof und Wunsiedel gewesen,

seines Alters 78 Jahr.

Ist in Streittau den 10. Nov. 1689,

am Tage Martini gebohren,

und alhier den 21. Jun. 1767

selig verschieden.

Sein Leichen-Text war

Pred. Salom. I. v(ers) 14.

(“Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind”, d. Verf.)

Als symbolische Darstellung sehen wir das Familienwappen des Verstorbenen.


Als vierten Grabstein betrachten wird den des Johann Barthold (24.06.1752-22.07.1805). Auch dieser Grabstein befand sich am Lorenzfriedhof. Die Inschrift lautet:

 Hier ruhet in Gott der

weyland Ehrbare Johann Bart-

hold, der Vater Johann Barthold auf der

Wustuben, die Mutter Margaretha Hoffmanin

von der Heid, er erblickte das Licht dieser Welt den 24. Junii

1752, nach verflossenen Jünglings-Jahren verehlich-

te er sich mit Jungfer Maria Barbara Schmdtin

von ober Kotzau, in diser ehe Zeugten sie 9 Kinder,

4 Knäblein, 5 Mägtlein, welche alle den weg der To-

ten giengen, in dieser Ehe lebten sie 35 Jahr. Da es

nun Gott gefallen, so nahm er ihn den 22. Julii 1805

zu sich in die Ewige Freude, da er gelebt 54 Jahr 4 w(ochen).

Leichen Text Jesaia am 38. V(ers).

(„Hiskias Krankheit, Genesung und Danklied“)

(Verse 10-17 vorlesen!)

Die symbolischen Darstellungen sind:

Ein Engel als Bote Gottes, eine Sanduhr als Zeichen für die Vergänglichkeit des Lebens, ein Totenkopf, eine Sense als Zeichen für den Tod sowie ein Lebenslicht


Der fünfte und letzte Grabstein ist der Wappenstein der Familie Püttner.

Der Stein diente ursprünglich wahrscheinlich als Teil eines Grabdenkmals mit dem Symbol der Muschel. Er wurde im Jahr 1824 in das nach dem großen Stadtbrand neu erbaute Wohnhaus Ludwigstraße 33 als Portalstein eingebaut.

Dargestellt ist das Wappen der Familie Püttner, das diese sich im Jahr 1595 von Kaiser Rudolph II. verleihen ließ. Im kaiserlichen „Wappenbrief“ wird das Wappen so beschrieben:

 „Ein Schilt übers Zwerchs in Zwen; und der unter der lenge

nach, in vier gleich thail also abgethailt, dass das hintere erst

und drit gelbe oder Goldfarb, und die andern Zweythail

schwarz seind; der obere Thail des Schilts aber plau oder

lasurfarb; darinnen erscheint hinter sich ein geharnischter

Mann, biß unter die Waich, in langen braunen pardt,

die rechte Hand in die Luft spreizend, und in der linken haltendt,

ain Spiesstangen, auf dem Kopf ain Sturmhauben, und hinten

dran ain gelbe und schwarze Strausenfedern; auf dem

Schildt ain Stechhelm zur linken mit gelb und

schwarzumwehten Seitten aber plauer und weißer

Helmdecken, auch darob von denselben Farben einen

gewundenen Pausch mit für sich fliegenden enden gezieret;

darauf zwischen zwayen und mit den mundtlöchern außwärtz

gekerdten Püfhörnern, daran das hintere gelb und vordere

schwarz ist; erscheint abermals hinter sich ain geharnischter

Mann, mit haldenter Spies Stangen, wie unten im Schildt“.

 

7. Hoffnung angesichts des Todes

Die an den jeweiligen Grabsteinen enthaltenen Symbole lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen:

Zum einen finden wir klassische Symbole des Todes, wie beim Grabstein von Carl Friedrich Einsiedel eine Frau mit Sense als Todesbotin und einen Totenkopf als Zeichen des Todes. Am Grabstein des Johann Barthold können wir einen Totenkopf sowie eine Sense als Zeichen für den Tod erkennen.

Bei einigen Grabsteinen können wir Hinweise auf den Beruf des Verstorbenen erkennen. So finden wir bei Carl Friedrich Einsiedel ein Handelsschiff, das auf seinen Beruf als Oberschiffbaumeister der holländisch-ostindischen Kompanie aufmerksam macht. Beim Grabstein des Jobst Jahreiss erkennen wir die Tuchschere, die auf seinen Beruf hinweist.

An manchen Grabsteinen sind Symbole wie Familienwappen angebracht, die auf die Bedeutung der jeweiligen Familie hinweisen wie etwa bei Georg Heinrich Siegmund von Wallenrodt und das Wappen der Familie Püttner.

Bei einigen der beschriebenen Grabsteine sehen wir klassische Symbole der Hoffnung:

Am Grabstein des Carl Friedrich Einsiedel finden wir als Hoffnungssymbole ein Auge im Dreieck, das auf Gott, den Vater, hinweist. Dieses Symbol verstehe ich nicht als ein Symbol für die ständige Überwachung durch Gott, sondern so, dass Gott auf mein Leben und auf das Leben der anderen Menschen ein Auge hat, dass er unser Leben liebevoll im Blick hat. Das Auge Gottes sieht das Leid und die Angst gerade angesichts des Todes. Gott will uns gerade auch in der Zeit der Erfahrung des Todes und des Leids behüten. Außerdem erkennen wir das klassische christliche Symbol für den Umgang mit dem Leid, das Kreuz in der Hand einer Frau. Das Kreuz ist das genuin christliche Symbol im Hinblick auf den Tod. Es verweist uns an Jesus Christus, der aus Liebe zur Welt und zu den Menschen den Weg in den Tod gegangen ist, der freiwillig das Leid auf sich genommen hat. Er lehrt uns, das Leid in dieser Welt wahrzunehmen und die Kreuze in dieser Welt zu sehen.

Am Grabstein des Johann Barthold erkennen wir einen Engel, der als Bote Gottes den Menschen Mut und Zuversicht schenkt. Außerdem finden wir an diesem Grabstein ein Symbol für das Lebenslicht. Das Lebenslicht soll gerade angesichts der Dunkelheit des Todes, in der Situation der Traurigkeit, der Einsamkeit und des Leids Licht schenken. Es soll helfen, die Traurigkeit zu bewältigen, die Einsamkeit zu verringern und das Leid zu mindern. Vor allem weist dieses Licht auch auf den hin, der nach christlichem Glaubensverständnis Licht in das Leben vieler Menschen gebracht hat und auch weiter bringt: Jesus Christus.

 

Die Grabsteine – so unterschiedlich sie auch im Einzelnen gestaltet sind – sind Orte, die in vielfältiger Hinsicht  Bedeutung besitzen:

Sie sind Orte der Erinnerung. Die Angehörigen der Verstorbenen erinnern sich und auch andere mit den Symbolen und den Texten an das Leben und die Person des Verstorbenen. Sie machen sich und anderen bewusst, wie das Leben des Verstorbenen verlaufen ist, welche Stationen in seinem Leben wichtig waren, welche anderen Menschen ihn in seinem Leben begleitet haben und was ihn geprägt hat. Manchmal wird auch darauf hingewiesen, was dieser Mensch in seinem Leben alles geleistet hat. So erhalten wir an vielen Grabsteinen wertvolle Aufschlüsse über die Biographie des Verstorbenen und gelegentlich auch über die Zeitumstände, die seine Biographie mit geprägt haben. Eindrücklich ist mir bei den fünf Grabdenkmälern vor allem auch der Grabstein von Carl Friedrich Einsiedel: In der Inschrift wird ausdrücklich auf seinen Beruf als einen “bestverdienten Oberschiffbaumeister der Holländisch Ostindischen Compagnie“ hingewiesen.  Er fuhr mit dem Schiff zweimal nach Ostindien und wirkte dort achtzehn Jahre. Nach dieser Zeit kehrte er - so wie es in der Inschrift formuliert ist – von Gott aus mancher Gefahr errettet und gesegnet, in sein Vaterland zurück. Auch die Ewigkeit als Zeit nach dem Tod wird mit einem Bild aus der Berufsbiographie des Verstorbenen umschrieben: Als Bezeichnung für diese Ewigkeit taucht das Bild des „Havens“ (=Hafen) auf. Auf dem Grabstein des Jobst Jahreiss taucht sein Beruf des Tuchscherers auf. Die Tuchschere ist auch als Symbol auf den Grabstein dargestellt. Auf dem Grabstein von Georg Heinrich Siegmund von Wallenrodt finden wir die Würdigung daraufhin, dass er „der letzte seines Stammes in Franken, aus dem Hause Streittau“ war. Er hat „fünf Fürsten gedienet“ und ist „bey S(eine)r jetzt regierenden Hochfürstl. Durchl(aucht) wohlbestalteter Obrister und Commendant der Stadt Hof wie auch über 2 Ausschuß-Regimenter Hof und Wunsiedel gewesen“. Also erfahren wir auch in dieser Grabinschrift einige Fakten über den Lebenslauf des Verstorbenen.

Beim Grabstein des Johann Barthold finden wir die ausführlichste Beschreibung der einzelnen Abschnitte des Lebenslaufes, vor allem auch die Würdigung der Tragik, dass alle neun Kinder starben. Mir ist an dem Grabstein aufgefallen, dass ausgedrückt wird, Johann Barthold habe „54 Jahr 4 w(ochen)“ gelebt. Nach der mathematischen Berechnung sind es aber von 1752 bis 1805 nur 53 Jahre.

Erinnert wir auch beim Wappenstein der Familie Püttner. Vor allem wird an das der Familie von Kaiser Rudolph II. verliehene Wappen erinnert und dessen Gestaltung beschrieben. Hiermit wird auch die Bedeutung der Familie herausgestellt.

Wo Menschen sich der verstorbenen Angehörigen oder Freunde erinnern, da versuchen sie, deren Leben nachzuspüren, dem nachzugehen, was das Leben der Verstorbenen geprägt hat, was es an positiven oder negativen Ereignissen in ihrem Leben gegeben hat und wofür die Angehörigen den Verstorbenen dankbar sind.

Auch wir überlegen ja, wenn wir die Gräber von verstorbenen Angehörigen besuchen, was diese in ihrem Leben für uns bedeutet haben, was ihr Leben geprägt hat und wofür wir dankbar sein können. Wir vergegenwärtigen uns dabei auch Abschnitte oder wesentliche Punkte ihrer Biographie und überlegen dabei auch, welche Zeitumstände diese Menschen geprägt haben. Wichtig ist in der Erinnerung vor allem auch die Beziehung zwischen den Angehörigen und den Hinterbliebenen.

Manchmal sind Grabsteine auch Orte der Mahnung: Vor allem dann, wenn sie auf Kriege oder andere schreckliche von Menschen an Menschen verursachte Taten (oder besser: Untaten) hinweisen. Ich denke an die Gräber von in Kriegen gefallenen Soldaten, die ihr Leben für eine völlig sinnlose, dem Allmachtswahn oder der Gewaltphantasien irgendwelcher Herrscher geschuldete Ideologie lassen mussten. Hierfür gibt es aus allen Zeiten der Geschichte genügend Beispiele. Da können uns Grabsteine eine Mahnung sein dafür, dass Krieg kein Mittel der Politik sein kann, weil er immer mit Opfern von unschuldigen Menschen verbunden ist. Wir haben letzten Sonntag den Volkstrauertag begangen als einen Sonntag, der uns dies eindrücklich in Erinnerung bringt. Vielleicht gelingt es uns ja, dass auf dieser Erde der Krieg als Mittel der politischen Auseinandersetzung einmal überwunden wird und wir deshalb keine Menschenleben mehr auf Grund irgendwie gearteter angeblich höherer Interessen mehr beklagen müssen. Hier hoffe ich weiterhin auf die Lernfähigkeit der Menschheit und dass diese phantasievoll genug ist, um Konfliktlösungsmechanismen schon im Vorfeld einer Auseinandersetzung zu entwickeln. Jedenfalls können uns hierbei die Grabsteine der im Krieg getöteten Menschen eine Mahnung sein.

Der dritte und vielleicht wichtigste Gesichtspunkt besteht darin, dass Grabsteine Orte der Hoffnung sind. Ich habe vorhin schon bereits einige Hoffnungssymbole an den Grabdenkmälern hier im Museum benannt: Vom Auge im Dreieck und der Frau im Kreuz bei Carl Friedrich Einsiedel bis hin zum Engel bei Johann Barthold. Wir brauchen angesichts des Todes Zeichen und Symbole der Hoffnung. „Sie reicht über den Tod hinaus, indem der Mensch sich in ihr als endliches Wesen selbst überwindet…Wie der Glaube ist auch das Hoffen kein Vermögen des Menschen, sonder eine von Gott in ihm gelegte Gabe. Vielleicht sollte man das Tätigkeitswort ´hoffen´ umschreiben mit der Formulierung ´in der Hoffnung sein´“ (EEK S. 811). „In der Hoffnung erkennt der Mensch jede Situation, die er überschreiten und hinter sich lassen muss, um sein Menschsein zu verwirklichen“ (EEK S. 811). Ebenso finden wir uns in der Hoffnung „in das Gegenüber Gottes gestellt“ (EEK S. 812) und gewinnen so eine neue Perspektive für unser Leben: Als Christinnen und Christen leben wir von der Hoffnung – und dies in vielerlei Hinsicht: Von der Hoffnung auf den Gott, der die Welt, seine Schöpfung, ins Dasein gerufen hat über die Hoffnung, die uns durch den Tod und die Auferstehung Jesu Christi geschenkt ist bis hin zur Hoffnung auf die Auferstehung der Toten. Das Christentum ist eine Hoffnungsreligion: damit meine ich nicht, dass das Christentum uns irgendwie auf ein wie immer geartetes Jenseits vertrösten will, sondern dass wir darauf hoffen, dass eine Auferstehung der Toten geben wird.

Wir können und dürfen mit den jüdischen und christlichen Vätern und Müttern des Glaubens hoffen, wobei diese Hoffnung sich nicht zur Illusion verändern soll und darf. Gerade auch als auf die Zukunft, die Gott schafft, Hoffende ist es nötig, auch die hässlichen Fratzen und Gewalttaten der Vergangenheit zu sehen. Dies ist nicht nur eine historische, sondern auch eine spirituelle Aufgabe.

Wir als Christinnen und Christinnen dürfen in unserem Glaubensweg mit Gott und zu Gott mit und auf Christus hoffen. „Das Warten der Juden auf den Messias kann zugleich als eine Mahnung an die Christen verstanden werden, die eigene

Zukunftserwartung in der Meinung aufzugeben, in Christus seien schon alle Verheißungen erfüllt. Das Reich Gottes ist weder in Christus vollständig da, noch in der durch die Sakramente erlösten Seele, und schon gar nicht in der Kirche oder der christlich-bürgerlichen Welt“ (EEK S. 812).

Als Christinnen und Christen dürfen wir angesichts des Sterbens darauf hoffen, dass Gott seine Beziehung zu uns auch über den Tod hinaus aufrechterhalten will. Wie dies geschieht, dass können wir selbst nicht sagen, weil es hier um eine Zukunft geht, die Gott allein schenkt. „Die Auferstehungsbotschaft des Neuen Testaments verknüpft das Auferstehen Jesu Christ ganz eng mit der persönlichen Auferstehung der Glaubenden am Ende der Zeit. Die Auferstehung Jesu Christ von den Toten legt auch in uns die Quelle der Hoffnung frei. Und diese Quelle spende in uns die Zuversicht, dass der Einzelne nicht verloren geht, sondern aufbewahrt bleibt, mit seinem Namen erinnert wird und von Gott Zukunft geschenkt bekommt“ (EEK S. 814).

Und wir dürfen mit der Schöpfung hoffen. Hoffnung nach jüdisch-christlichem Verständnis ist keine Hoffnung, die nur auf eine irgendwie geartete Innerlichkeit abzielt, sondern diese hat die Welt, Gottes Schöpfung im Blick und dies in zentraler Hinsicht. Gott will nicht nur die Gemeinschaft mit den Menschen neu schaffen, sondern mit dem gesamten Erdkreis. Paulus beschreibt dies in seinem Brief an die Gemeinde in Rom damit, dass die gesamte Schöpfung frei werden wird „von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes“ (Röm 8,21). In der Neuschöpfung von Himmel und Erde durch Gott wird „die Fülle der Herrlichkeit Gottes wie im Himmel, so auch auf der ganzen Erde einwohnen (Offb 21,23; 22,5)“ (EEK S. 816).

Die Grabdenkmäler im Museum sind insofern für mich auch Ausdruck der Hoffnung auf diese Neuschöpfung von Himmel und Erde durch Gott. Menschen geben in der Gestaltung der Gräber und auch der Grabsteine zum einen ihrer Trauer Ausdruck- ihrer Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen, ihrer Trauer über den Schmerz, den sie empfinden, ihrer Trauer über die Frage, wie sich ihr Leben nun gestalten wird. Dies ist die eine Seite, die für mich bei der Gestaltung der Gräber und der Grabsteine wichtig ist. Doch die zweite – und mindestens genauso wichtige – Seite ist für mich diese: Menschen geben in der Form und vor allem auch im Inhalt des biblischen Textes, den sie als Trost- und Hoffnungswort auf den Grabstein setzen, verschiedenen weiteren Aspekten Ausdruck: Zum einen äußern sie ihre Dankbarkeit dafür, dass sie mit dem besagten Menschen wichtige Phasen ihres Lebens verbringen und gestalten durften; sie geben ihrem Glauben Ausdruck, dass Gott die Verstorbenen und sie als Angehörige und Trauernde begleitet und tröstet. Nicht zuletzt aber geben sie ihrer Hoffnung darüber Ausdruck, dass der Tod nicht das letzte Ereignis im Leben eines Menschen sein möge, sondern dass wir als Christinnen und Christen von einer neuern Wirklichkeit her leben, die sich aus der Auferstehung Jesu von den Toten her begründet.

Auch die biblischen Texte, die auf drei der Grabsteine zu finden sind, geben zumindest manchen dieser verschiedenen Aspekte Ausdruck. Ich wiederhole sie noch einmal:

Beim Grabstein des Jobst Jahreiss finden wir als Leichentext seiner Frau Helena einen Vers aus dem 2. Brief an Timotheus:

„Hinfort liegt für mich bereit die Krone der Gerechtigkeit, die mir der Herr, der gerechte Richter, an jenem Tag geben wird, nicht aber mir allein, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieb hatten“ (2. Tim 4,8).

Und es gehört vermutlich auch der vorherige Vers dazu, in dem es heißt „ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe Glauben gehalten“ (2. Tim 4,7).

Zum einen gibt es auf dem Grabstein des Jobst Jahreiss bei der Inschrift für seine verstorbene Frau einen Hinweis darauf, dass vor dem achten Vers eventuell noch ein weiterer Vers fehlt. Zum zweiten steht der Beginn des siebten Verses  („Ich habe einen guten Kampf gekämpffet etc.“) direkt unter der unvollständigen Angabe der Bibelstelle. Und zum dritten können wir zwischen dem siebten und dem achten Vers dieses Kapitels durchaus einen inneren Zusammenhang herstellen und finden:

Im Vers 7 geht es um eine Rückschau auf das Leben. In dieser Rückschau wird ausgedrückt, was das Leben gekennzeichnet und geprägt hat. Die Person, die diesen Satz spricht oder die Person, deren Leben damit gewürdigt wird, zieht eine insgesamt positive Bilanz ihres (bisherigen) Lebens. Das Leben war zwar ein Kampf, aber dieser Kampf war aus der Rückschau betrachtet gut. In diesem Vers geht es vor allem auch um das Vertrauen auf Gott, der im Leben begleitet und trägt, der auch durch schwere Zeiten – Zeiten der Krise, Zeiten des Leids, Zeiten des Schmerzes – hindurch trägt. Als Zeichen der Anerkennung für das Führen des guten Kampfs im Glauben für die Vollendung des Laufs, für das Vertrauen auf Gott im Glauben - so der folgende Vers - erhält der Verstorbene die Krone der Gerechtigkeit, die Gott denen, die auf ihn im Leben und im Sterben vertrauten, am Tag seiner Wiederkunft geben wird. Mit diesem Vers wurden auf dem Grabstein das Leben von Helena Jahreiss und das, was es geprägt hat, gewürdigt.

Als Leichentext – wie es immer auf den Grabsteinen heißt – von Georg Heinrich Siegmund von Wallenrodt lesen wir eine Stelle au dem Prediger Salomo:

„Ich sah an alles Tun, was unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind“ (Pred Sal 1,14).

Im gesamten Kapitel eins des Buches des Prediger Salomo geht es darum, dass sowohl alles Irdische als auch das Streben nach Weisheit eitel ist. Es stellt sich im Hintergrund die Frage: Was kann der Mensch mit seiner Weisheit bewirken und kann er damit auch zu einem besseren Verständnis der Welt und des Lebens vordringen? Und es stellt sich die Frage: Welche Ziele verfolgen Menschen bei dem, was sie auf dieser Welt tun? Wollen sie im Sinne Gottes sich für mehr Gerechtigkeit und Frieden zwischen den Menschen einsetzen oder tun sie vieles nur, damit sie sich selbst ins Rampenlicht rücken und vor anderen mit ihren Leistungen glänzen. Dieses Streben – nicht nach menschlicher Anerkennung, denn diese ist durchaus nachvollziehbar – sondern nach der völligen Selbstbestätigung seiner Leistungen durch andere und als Folge die Überheblichkeit über andere bezeichnet der Autor dieses biblischen Buches als „eitel“.

Welche Ereignisse das Leben von Georg Heinrich Siegmund von Wallenrodt im 18. Jahrhundert genau bestimmt und geprägt haben, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber sein Leichentext gibt Aufschluss darüber, dass er vieles, was er in seinem Leben zum einen geleistet hat und was ihm zum anderen auch widerfahren ist, mit einem Sinn für die Realität gesehen hat. Realitätssinn kann uns als Christinnen und Christen auszeichnen, was ja auch der tiefere Grund für die Rechtfertigung aus Glauben ist. Ich kann mir mein Heil vor Gott nicht durch irgendwelche guten Taten erkaufen, sondern das Heil ist Gnade, ein Geschenk Gottes. Zum anderen darf uns diese theologische Grundaussage des Protestantismus nicht dazu verleiten, zu glauben, dass der Mensch nichts Gutes vollbringen kann, dass wir also einem anthropologischen Pessimismus huldigen. Natürlich ist der Mensch zum Bösen fähig; aber er besitzt durchaus auch imstande, Gutes zu vollbringen. Insofern möchte ich bei diesem Leichentext gerne beide Aspekte der christlichen Anthropologie hier berücksichtigen.

Der längste Leichentext findet sich auf dem Grabstein von Johann Barthold aus dem 38. Kapitel des Buches des Propheten Jesaja im so genannten Danklied des Hiskia, des Königs von Juda (dem Südreich), der Gott für die Genesung von seiner Krankheit dankt. Der Prophet Jesaja fordert Hiskia auf, sein Haus angesichts seines drohenden Todes zu bestellen. Hiskia betet daraufhin zu Gott und verweist auf seinen Glauben an und auf seine Treue zu Gott. Gott beauftragt daraufhin Jesaja, dem König mitzuteilen, dass er noch weitere fünfzehn  Jahre leben darf. Daraufhin folgt das Danklied von Hiskia. Es beginnt mit dem Vers „Nun muss ich zu des Totenreiches Pforten fahren in der Mitte meines Lebens, da ich noch gedachte, länger zu leben“, also mit der Erfahrung der Krankheit und des Schmerzes. Dies wird in den folgenden Versen weiter ausgeführt zum Beispiel mit den Worten „Zu Ende gewebt hab ich mein Leben wie ein Weber; er schneidet mich ab vom Faden“ (Jes 38,12). Aber dann erfolgt im weiteren Verlauf des Textes des Perspektivwechsel, vor allem im Vers 17: „Siehe, um Trost war mir sehr bange. Du aber hast dich meiner Seele herzlich angenommen, dass sie nicht verdörbe; denn du wirfst alle meine Sünden hinter dich zurück“ (Jes 38,17). Der Text schließt mit dem Satz „Der Herr hat mir geholfen, darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des Herrn!“

In diesen Versen spiegeln sich vermutlich auch die positiven und vor allem auch die negativen Lebenserfahrungen von Johann Barthold, Bei den negativen Erfahrungen möchte ich besonders noch einmal die Tatsache erwähnen, dass alle neun Kinder vor ihm „den Weg der Toten giengen“, wie es in der Grabinschrift heißt. Auch wir können unsere Erfahrungen des Leides, die wir machen, in diese Verse hineinschreiben. Aber der Text bleibt nicht bei der Erfahrung des Negativen stehen, sondern er schließt mit dem Dank an Gott, der gerade auch in schweren Zeiten beisteht und dessen Nähe Menschen gerade dann erfahren durften und dürfen.

Da heißt es in Vers 20: „Der Herr hat mir geholfen, darum wollen wir singen und spielen, solange wir leben, im Hause des Herrn!“ (Jes 38,20).

Schließen möchte ich mit der Verheißung aus dem 21. Kapitel der Offenbarung des Johannes, in dem die Vision des neuen Jerusalem beschrieben wird:
“Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wir ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb 21,1-5).

 

Pfarrer Hans-Jürgen Konrad

Oelsnitzer Str. 8

95028 Hof/Saale

09281/1400420

 

Quellen:

Evangelischer Erwachsenenkatechismus (EEK); Gütersloh 2000, 6. Auflage

Taschenlexikon Religion und Theologie, Göttingen 1983, 4. Auflage